Wednesday, December 24, 2008

Argentinien

"Ihr wisst schon, dass es heute nacht kalt wird", begrüßt uns ein etwas älterer Bolivianer während einer Pause auf der Fahrt Richtung Grenze, rückt seinen Mantel zurecht und starrt nur ungläubig mein T-Shirt und Tammos dünnen Pullover an. Die 17 stündige Fahrt bis zur Grenze war alles andere als schön. Als wir am Abend in La Paz losgefahren sind, ware wir noch relativ guter Dinge, aber sobald man einige Stunden außerhalb von La Paz ist, sind die Straßen nur noch schlecht und wir wurden allmählich in den Schlaf geschüttelt, bis ein größeres Schlagloch uns unsaft aufschrecken lies. Dazu kommt noch, dass der Herr mit seiner Warnung leider recht behielt.
Während der ersten Stunden war es im Bus so warm, dass die Scheiben beschlugen - auch ohne Klimaanlage wärmten die Insassen samt dem Hühnerpaar, das mitfuhr, den Bus genügend auf. Aber später in der Nacht, als der Bus die serpentinenartigen Schotterwege des andinen Hochgebierges runterkurvte wurde es einfach nur kalt in dem Bus. So kalt, dass mein Reisegefährte Tammo, auch ein Freiwilliger hier und ich garnicht schlafen konnten. Eng zusammengekauert versuchten wir wenigstens etwas schlaf zu bekommen, aber es ging einfach nicht. Wir zitterten wie Espenlaub, bis eine Cholita, die vor uns saß, erbarmen mit uns hatte und uns eine ihrer Decken gab, unter der wir eingemullelt dann auch bald einschliefen-
Die restliche Fahrt bis zur Grenzstadt Villazón verlief relativ ruhig. Zum Glueck, weil das auch anders haette ablaufen koennen. Wie schon gesagt, momentan ist in Suedamerika die Regenzeit hereingebrochen, wovon vor allem der tropische und subtropische Teil des Landes betroffen ist. Dazu gehoert auch der Suedwetsen des Landes, wo Villazón liegt. So kam es, dass wir zweimal anhalten mussten, weil ein Fluss ueber die Ufer getreten ist und die Schotterpiste unterspuelte. "Alle mas aussteigen!" rief man uns von der Fahrerkabine aus zu, und unseren schon ratlosen Gesichter wurden nur ratloser als wir die ueberflutete Strasse sahen. SO standen wir also alle vor dem Bus, und der Busfahrer sagte uns, dass er nicht wisse, ob wir da durchkommen wuerden. Zum Glueck sind die Leute hier in Bolivien recht erfinderisch; so wurde ein am Strassenrand liegender Stock kurzerhand zum Masstab, mit dem erst das Rad gemessen wurde, und danach das Wasser, in dem einer der Busleute ins Wasser wartete und Mass nahm. "Bueno, no está tan profunda! Todos suban! (Naja, is nicht so tief, alles einsteigen) " war zum Glueck die Antwort. So ging es also weiter, bis wir irgendwo im nichts wieder anhalten mussten. Warum?? Wegen Strassenarbeiten. Das erschien mir, dem Zustand der Strasse zufolge, schon etwas unglaubwuerdig. Aber einmal ausgestiegen sahen wir wirklich Planierfahrzeuge auf der Strasse. Aber: keiner hat gearbeitet. Warum also die Verzoegerung? Die Arbeiter befanden sich irgendwo zwischen ausgedehnten Fruehstuck und frueher Mittagspause, und keiner wollte den Weg frei raeumen, weswegen bald 5 oder 6 Busse sich hinter der Planierraupe aufstauten. Nach gut einer Stunde erbarmten sich aber einer der Arbeiter, den Weg zu raeumen. Die anderen Fruehstueckten in aller Seelenruhe weiter.
So kamen wir nach gut 20 Stunden Fahrt endlich an der Grenze an, ueberquerten eben diese zu Fuss und suchten unseren Bus. La Quiaca, so heisst die Stadt auf argentinischer Seite, ist noch recht bolivianisch. Aber alleine dem Bus sah man an, dass wir in einem weiterentwickeltem Land waren: ein Doppeldecker, mit Kaffee und Saftspender, Fernseher der funktioniert, Licht am Sitz das funktioniert, und sogar ein Klo. Luxus pur: da gab es sogar Seife!!!
Am Abend ging es dann los - eine Fahrt durch die endlosen Weiten der argentinischen Pampa, die nur manchmal durch Polizeikontrollen unterbrochen wurde. Als Europaer hat man bei diesen einen vorzueglichen Status, was mich schon etwas ueberrascht hat. Bei jeder Kontrolle kamen zwei Polizisten rein, die die Papiere nachschauten. Die Bolivianer mussten alle aussteigen, mit Handgepaeck, Tammmo und mir wurde nichts gesagt. Aus Neugier stiegen wir aus und sahen, wie mit Akribie das Gepaeck der anderen Mitfahrer gefilzt wurde. Auf meine Frage, ob ich mein Handgepaeck auch holen sollte, schuettelte der Polizist nur den Kopf, winkte mich aber dafuer zum Kofferstauraum rueber, fragte mich, welcher Rucksack meiner sei. Ich sagte es ihm, und er ordnete seinem Kollegen an, alle Gepaeckstuecke rauszuholen - ausser den von Tammo und meinen! So hatten wir also gar keinen Stress, kamen undurchsucht durch alle Kontrollen, waehrend ein junger Bolivianer leider seine Saecke mit Cocablaettern wohl nicht mehr wieder sieht...
Am naehcsten Tag, und nach fast 2 Tagen Fahrt, kamen wir in Cordoba an - und am Terminal warteten auch schon Andy und Mischa, beide FSJler aus Paraguay, mit denen wir den Urlaub verbringen wuerden. Unser Hostel war super - mitten in der Stadt. Vom Stadtbild und vom Verkehr ist der Unterschied zwischen Argentinien und Bolivien gewaltig. Aus gewohnheit lief ich ueber rote Ampeln, um irgendiwe die Strasse zu ueberqueren. Aber: Die Argentinnier halten sogar an Zebrastreifen, was mich am anfang arg ueberrascht hat, aber eigentlich recht praktisch war. Argentinien an sich ist recht teuer, also fuer meine Verhaeltnisse, weil die Preise sich zum Teil nicht von deutschen unterscheiden. Cordoba ist superschoen, hat viele Plaetze, Fusgaengerzonen und Parks, und vor allem ein europaeisches Flair. Cordoba ist vor allem fuer zwei Sachen beruehmt, seine Universitaeten und Che Guevara. "El Che" ist ueberall praesent, da er in der naehe Corodobas aufgewachsen ist und die Leute maechtig Stolz auf den beruehmtesten Sohn der Stadt sind. Ausser uns die Stadt anzugucken und zum Che-Museum zu fahren (sein frueheres Haus, das zum Museum gemacht wurde) haben wir nicht viel gemacht. DAS lag zum einen daran, dass wir Donnerstag den heissesten Fruehlingstag in Cordoba seit 50 Jahren hatten - und die Tage danach nur Regen. Und, was wohl mehr ausgemacht hat, ist die Ausgehmentalitaet der Argentinier. Discos oeffnen nicht vor halb ein oder 2 in der Frueh, und richtig voll wird es erst ab drei. Deswegen wurde die Abende lang und moegliche Morgenaktivitaeten eher auf den Nachmittag verschoben. Und es sind nicht nur die Juengeren, die ihren Rhythmus so haben. Am Freitagabend waren am Hauptplatz der Stadt Boxen aufgestellt, Tango wurde gespielt und jeder der wollte hat getanzt. Als wir um drei wieder an dem Platz vorbei kamen, tanzten auch zum Teil noch Rentner laessig ihren Tango!
Naechste Station auf unserer Tour war Rosario, das Wetter besserte sich bald, so dass man wieder gut mit kurzer Hose und T-Shirt rumlaufen konnte. Rosario ist eine typisch argentinische Stadt, die von touristen weitgehend verschont bleibt. Hier legten wir zwei Tage Pause ein, und Mischa und Ich schauten usn die Uni an - Rosario ist auch eine absolute Universitaetsstadt, hat einen Fluss und ein Denkmal fuer die gefallen Marinesoldaten des Landes. Am Denkmal sind ausserdem superviele Gedenktafeln an den Falkland-Krieg aufgestellt. Wir erinnern uns: Die Falkland-Inseln liegen vor der Kueste Argentiniens, sind aber englische Hoheitsgebiet. Als Argentinein sich anmasste, sie sich einzuverleiben, schmiss Grossbritannien kurz mal ihre KRiegsmaschienerie in Gang und bezwang die argentinischen Streitkraefte im Nue. Das haben die Argentinier aber nicht vergessen und fordern offen "ihre" Inseln. Lustigerweise gibt es auf den Inseln ast nur Schafe - die Briten, die da Leben, kriegen Geld von der brittischen Regierung, um da zu bleiben. Aber anscheinend geht es um Prinzip - Argentinien macht am Rande jedes internationales Gipfles ihren Anspruch auf diese Inselgruppe deutlisch, was vor allem von der Presse hochgejubelt und gefeiert wird. Nur die Englaender interessiert es nicht wirklich!

Von Rosario ging es dann auf zu unseren letzten Etappe unsere Argentinien-Tour: Buenos Aires!!!!!! Andy war schon einige Tage vorher in die Stadt der guten Luft gefahren, um sich Fussballspiele von Boca und River anzuschauen. Leider wurde er von einem Zigeuner, wie er selbst sagte, abgezogen. Vor dem Stadion wollte er sich eine Karte kaufen, weil die Parite ausverkauft war. Schlussendlich fand er auch jemanden, der gewillt war, seine Karte zu verkaufen. Andy lies sich die Karte zeigen und wollte bezahlen, doch der Herr Zigeuner wollte das Geld nicht in der Menschenmenge annehmen, weswegemn sie einige Schritte abseits gingen. Andy bezahlte, und der Typ find an, wegzugehen, zu traben, und zu rennen. Der verdatterte Andy schaute auf sein Ticket und hielt eins von einem Spiel im Mai in der Hand...

Buenos Aires ist unglaublich schoen, unglaublich gross und unglaublich europaeisch. Ueberall gibt es Cafés und Strassenstaende und die Architektur der Haeuser erinnert eher an Paris als an Suedamerica.
Am zweiten Tag fanden wir ein superhostel, super gelege und vor allem superbillig. Was wir nicht wussten ist, dass es von einem israelischen Ehepaar gefuerht wurde, und fast alle Angestellten Israelis sind (die meisten Gaeste auch, weil es kosheres Essen gibt). Wir haben uns schon ein bisscchen ueber die feuerroten Haare der Rezeptionistin gewundert, aber wirklich bemerkt haben wir es erst spaeter. Die Menuekarten waren alle auf hebraeisch - komisch, aber verstanden haben wir es erst spaeter.
Ich fragte die Barfrau auf Spanisch, die sich gerade mit einem anderen Gast unterhielt, wo die Gaetsekueche sei. Sie verstand von dem was ich sagte kein Wort, aber der andere Gast schon und antwortete mir in einer Sprache, die ich fuer ein komsches Spanisch hielt. Mischa, der Austauschschueler in Brasilien war, erkannte es aber als Portugisisch, wiederholte meine Frage, die daraufhin vom Gast ins Hebraeische uebersetzt und and die Barfrau gerichtet wurde. Sie schaute verdutzt an und fragte mich in Englisch "warum fragst du das nicht gleich??!" Nachdem uns aber einmal klar wurde, dass man mit dem Personla eher Englisch als Spanisch sprechen muss, gab es keine weiteren Probleme.

In Buenos Aires haben wir viel gemacht, weswegen ich nur die Sachen kurz beschreiben werde.
- La Boca, das Viertel von Boca Junior, dem, beruehmtesten und erfolgreichsten Fussbalclub der Welt. Hier sind die Haeuser alle bund angemalt und an jeder Ecke wird Tango getanzt, es ist aber sehr touristisch, trotzdem scheon
- Puerto Madero, der neue Hafen von Buenos Aires. Auf einer ehemaligen Muelldeponie erbaut sind hier neben dem neuen Yachthafen vor allem teuere Wohnhaeuser. Sehr schoen. An einem Abend haben wir mit Leuten aus dem Hostel hier auf einer "Cancha" Fussball gespielt - Englaender, Inder, Australier, Israelis, Kolumbianer, Chilenen und Andy und ich als Deutsche. Hat wirklich Spass gemacht, nur die Verstaendigung war manchmal schwierig...
-Palermo, das Little Italy in BsAs. Hier gibt es einen Haufen Restaurants, einen Zoo und einen botanischen GArten, ist aber auch ein schoenes Wohnviertel. Hier habe ich ausserdem das beste Steak meines Lebens gegessen. Das Steak wurde ohne Beilagen serviert, einfach nur ein riesiger Brocken Fleisch. Aber so zart, dass man fast nicht kauen brauchte... Einfach nur unglaublich!
- La Recoleta, der Heldenfriedhof Argentiniens. Ein riesiger Komplex mit Mausoleen aller moeglicher wichtiger Leute. Herausragend is wohl das Grab von Eva Perón, besser bekannt als Evita, der argentinischen Praesidentengattin, die in den Slums und Armenvierteln von Buenos Aires half und so die Herzen ihrer Mitbuerger gewann.
-El Centro, die Innenstadt mit Obelisk und Prachtmeilen. Sehr schoen, aber sehr europaeisch. An jeder Ecke tanzen Paare Tamgo, es gibt Strassenmusiker und Cafés... Sehr schoen!

Highlight unseres Aufenthalts war auf jedem Fall die groesste Tango-Show der Welt. Auf vier Buehnen entlang der Avenida de Mayo zeigten die besten Tangopaare ihr koennen. Unser absolutes Glueck war, dass die Hauptbuehne direkt vor unserem Hostal war und wir vom Balkon im vierten Stock eine fantastische Sicht hatten. Tango ist sowieso DER Tanz in Buenos Aires, als Bewohner der Stadt kein Tango zu beherrschen ist schon fast ein Frevel....

Argentinien generell ist viel weiter entwickelt als Bolivien. Man sieht es in allen Lebenslagen, an den Haeusern, Strassen, Autos, Menschen... Die Weltwirtschaftskrise spielt hier auch eine Rolle, wohingegen in Bolivien hoechstens mal eine Randnotitz in der Zeitung erscheint. Es gibt aber auch Armut, die uns vor allem wieder durch Strassenkinder bewusst wurde. Wir liefen vor dem Obelisken entlang und hatten alle Eis in der Hand, gingen an einer Gruppe "Klefeos", Klebstoffschnueffler vorbei, die mit grosser Sicherheit wohl auch auf der Strasse leben. Sie sehen uns mit unserem Eis, einer steht auf, geht uns hinter her und sagt "Gib mir dein Eis". Ich sag natuerlich nein, und der Zwerg baut sich vor mir auf und greift unter sein T-Shirt, droht mir, mich abzustechen. Sein T-Shirt war aber so eng, dass man sehen konnte, dass er da nichts hatte. unbeeindruckt gingen wir weiter, da versucht der Zwerg, uns das Eis aus der Hand zu reissen... Das dreisteste, was ich bis jetzt in dieser Hinsicht hier gesehen hab!
Wenn man sonst in Argentinien ist muss man Mate trinken (aus ihren Matebechern) und vor allem Alfajores essen - argentinisches Suessgebaeck, von denen wir uns fast ausschliesslich ernaehrt haben! Im grossen un ganzen ging die Fahrt superschnell vorbei und es hat alles gut geklappt. Nur die Rueckfahrt war aetzend, weil ich aus Buenos Aires direkt nach La Paz gefahren bin, wofuer ich 55 Stunden gebraucht hab.
Bei meiner Ankunft in La Paz war es kalt und regnerisch, ganz anders als im cheon warmen Argentinien. Auf der Suche nach einen Taxi, dass mich nach Hause faehrt, wurde mir gesagt, dass das Zentrum wegen eines Streiks impassierbar sei. Nur mit einem Aufpreis konnte ich schliesslich einen Taxifahrer finden und mir wurde klar, dass ich wieder zu Hause bin!

No comments: