Tuesday, October 21, 2008

Polizei, Krankheit und der Marsch der 300.000

Am Freitag abend habe ich die volle Strenge des bolivianischen Gesetztes kennen gelernt. Dabei ist mir zu gute gekommen, dass ich bei einer Familienfeier der Gastfamilie meines Zivikollegen Kai den Mayor der Polizeistreitkräfte der Zone "Centro" von la Paz kennen gelernt habe, der ein guter Freund von Kais Familie ist. In weiser Vorraussicht hat er mir damals seine Nummer gegeben und mir eingeschärft, dass dieses Telefon immer erreichbar sei und bei Problemen jeder Art bitte anzurufen ist. Das hat am Freitag abend wirklich geholfen.
Am Freitag waren Kai und ich zusammen mit Andres und einigen seiner Freunde auf einer Feier im Süden der Stadt. Eintritt hat aufgrund ausländischer DJs ganze 50 Bolivianos gekostet, was ungeheuer viel ist. Die getränkepreise waren dementsprechend gepfeffert. Deswegen haben wir uns entschlossen, lieber noch etwas in einer Tienda, einem Tante-Emma-Lädchen zu trinken zu kaufen. Auf dem Weg zurück zur Fiesta, genauer, genau vor eben jener Tienda, liefen uns zwei Gesetzeshüter über den Weg, die ihre nächtliche Patroullie liefen und uns auch prompt ansprachen. Man muss wissen, dass der Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen in Bolivien verboten ist. Normalerweise verfährt die Polizei wie folgt: die ganz strengen Polizisten kippen das Bier aus, die weniger strengen nehmen es mit um sich selber den abend zu versüßen und manche trinken einen Becher mit, sprechen augenzwinkernd eine Warnung aus und gehen weiter. Am Anfang sah es bei uns so aus, als wären wir an die Gruppe zweiter Art gestoßen. Sie erklärten uns also nach der Flasche greifend, dass wir eine Ordnungswiedrigkeit begangen hätten und man eine Lösung finden müsse. Der eine guckte uns alle einmal an, während der andere sich schon auf den Weitermarsch vorbereitete, als seine Blick bei mir hängen blieb - "Momentmal, woher kommst du?" "Aus Deutschland." "Aha, also ein Ausländer. Das verändert die Situation natürlich gewaltig..." Von anfang an war klar, dass er einfach versuchte mehr für sich aus der Situation herauszuschlagen. Deswegen durften wir uns einen Sermon darüber anhören, dass man als Gast sich an die Gesetze zu halten hat, wobei das gleiche Vergehen meiner bolivianischen Freunde hier total in den Hintergrund rückte. Ob ich meinen Reisepass bei habe, wollte er wissen - "natürlich nicht! Wäre ja auch fahrlässig, aber einen Ausweis meines Arbeitgebers, den habe ich mit." "Ah, ja". Skeptisch mussterte er also meine AFS Karte, die mich eigentlich bis jetzt immer genügend ausgewiesen hat und aus der klar wird, dass ich mich hier legal aufhalte. "Das reicht nicht, ich glaube, wir müssen eine Patroulle rufen!" Auch das noch!!! Mit Engelszungen redeten wir auf ihn ein, erfragten vorsichtig, ob man das nicht auch anders regeln könne, doch jedes Angebot schlug er aus, während sein Kollege eher passiv zusah. Kurze Zeit später diskutierten die Bolivianer mit dem strengeren der beiden, der unbedingt eine Patroulle rufen wollte, während ich den etwas passiveren bekniete. Sie blieben hart, obwohl wir doch "alle Freunde sind und das wie Freunde regeln sollten", oder "Sie das Gesetz sind und wir das Gesetz respektieren, und wir auch gerne dem Gesetz mit einem kleinen Geschenk aushelfen würden". Schlussendlich erinnerte Kai sich an den Freund seiner Familie, den Mayor. Ich sprach gerade - oder immernoch - mit dem passiveren, als Kai mich daran erinnerte, dass ich eben jene Nummer hab. So sagte ich zu ihm:"Wir können Beweisen, dass wir hier legal sind. Wir sind Freunde vom Mayor C....". "Ihr kennt den Mayor vom Zentrum?" "Ja, und den können wir anrufen, aber er wird sich nicht sehr darüber freuen...." Andrés merkte, dass der strenge Arm des Gesetztes zu wanken begann, schüttelte ihm die Hand und sagte "vergessen wir das doch einfach", nicht ohne ihm ein 50 Bolivianoschein in die Hand zu drücken. Nach einer knappen Stunde voller lebhafter Diskussion gingen die beiden Polizisten, um je 2,50 Euro reicher, weiter, und wir endlich zurück!
Samstag morgen bin ich zum Einkaufen zum Markt gegangen. Leider ging es mir garnicht gut, nach 7 Wochen hab ich mir anscheinend zum ersten Mal gehörig den Magen verdorben. Eigentlich gehe ich total gerne zum Markt, weil er einfach nur unglaublich ist. Cholas, die in ihren Fruchtbergen sitzen und jedem Vorbeigehenden ihre Ware anbieten. Die Kohlefrauen, die auf alten Jutesäcken Holzkohle in der Sonne zum trocken ausbreiten oder sie zum Verkauf portionieren. Es ist einfach nur eine Vielfalt an verschieden Ansichten und Gerüchen. Leider waren es vor allem die Gerüche, die mir etwas zugesetzt haben; Fisch, der ungekühlt natürlich auf einem Plastiktisch in der Sonne vor sich hingammlt, Metzger, die ein halbes Rind auf ihrem Rücken über den Markt schleppen, und dazwischen immer wieder Straßenhunde, die versuchen sich etwas Essen zu stehlen oder in den Abfällen rumwühlen. Am schlimmster war das "Fleischerhaus", wo die meisten Metzger ihre Geschäfte haben und auch schlachten. Es hat gestunken, überall auf den Theken lagen alle möglichen Stücke von Rind, Schwein oder Schaf, ein Rinnsal von Blut und Abfall suchte seinen Weg aus dem Schlachtraum zum Ausguss, der leider in der Mitte der Verkaufshalle war und somit von allen Leuten passiert wurde, dazwichen immer wieder Fliegen und vor allem Straßenhunde, die aber von den Metztgern vertrieben wurden... nicht wirklich appetitlich, und zu allem überfluss haben wir auch noch ein Rinderherz gekauft, um Anticucho zu machen, was eignetlich total lecker ist, aber in dem moment nicht gerade meinen Appetit anregte sondern eher das gegenteilige förderte...
Am Nachmittag ging es mir etwas besser, also sind Kai und ich zum Oktoberfest in La Paz gegangen, dass vom deutschen Club organisiert wurde. Kurz nach Ankuft meldete sich mein Bauch wieder, so dass ich es da nicht wirklich genossen habe. Das ganze Fest war stilecht gehalten, wirkte aber total surreal weil sich um uns herum die Anden um La Paz erstreckten. Immerhin traf ich den Herrn der deutschen Botschaft, mit dem ich im letzten Monat wegen der Visa zusammengearbeitet habe, wie er in Lederhosen und Bayernhut zu Blasmusik seinen Bierkrug schwänkte...
Sonntag hab ich das Bett gehütet, inzwischen geht es meinem Magen auch viel besser. Was sich sonst noch so ereignete, hat glaube ich auch seinen Weg in die deutschen Nachrichten gefunden: Vor rund einer Woche sind meist Leute der indigenen Bevölkerungsgruppen zu einem Marsch auf La Paz aufgebrochen, um ihre Unterstützung für Evo Morales und die neue Verfassung kund zu tun. Der Marsch wurde von der Regierung organisiert, und manch einer hier sagt, dass die Regierung jeden einzelnen Mitläufer entlohnt hat. Fast eine Woche liefen die Leute aus dem Süden des Landes Richtung La Paz, und je nach angaben sollen sich zwischen 100.000 und 300.000 Menschen angesammelt haben. Während der letzten Woche wurde berichtet, dass es erhebliche Ernährungsprobleme gab während des Marsches.
Gestern erreichte der Marsch La Paz und wurde für die letzten 50 Kilometer von Morales persönlich angeführt, der die Menschenmenge zum Plaza Murillo vor das Parlament lenkte, wo eine Kundgebung stattfand. Genaueres findet ihr hier http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,3728548,00.html.
Für mich bedeutet das nur, dass ich abends nicht in Centrum soll, weil die MASisten Gringos wie mich nicht gerade mögen, weil wir halt ihr Freindbild verkörpern. Bis jetzt ist zwar alles ruhig, aber sie haben ihrern Erfolg gefeiert und Betrunkene will ich auch nicht provozieren. Mein Gastvater, der nahe des Plaza Murillo arbeitet, ist heute ohne Anzug zur Arbeit gegangen, weil die MASisten auch die Mittelschicht für ihre Misere verantwortlich machen, und zur Mittelschicht gehören pauschal alle Anzugsträger. Außerdem gab es heute morgen kein Brot zu kaufen; mehr als 100.000 Leute müssen schließlich auch irgendwie ernährt werden!!

Thursday, October 16, 2008

"Dienstreise" nach Chile

Am Montag nachmittag bin ich von meiner ersten kleineren Reise zurückgekommen. Sie führte mich in die wunderschöne Küstenstadt Arica nach Chile. Warum dienstlich?? Weil Bolivien seine Visabestimmungen unglaublich verschärft hat und deswegen fast alle, weder Freiwillige noch Austauschschüler hier, kein Visum haben.
Zu den neuen Bestimmungen, neben dem deutschen Führungszeugniss und allen möglichen anderen Dokumenten in den verschiedensten Formen und Sprachen, gehört auch ein internationales polizeiliches Führungszeugnis, dass man sich bei Interpol abholen kann. Letzte Woche war ich deswegen bei Interpol, und ich kam mir vor wie in einem Film der irgendwo in Kuba spielt und auch eine Szene in einem Regierungsgebäude enthält.
Interpol ist mitten in der Stadt nahe dem Plaza Murillo, in einem weißgetünchten, holzverkleidetem dreistöckigen Flachbau, schön vor einem kleinen Plaza mit Palmen gelegen. Bei Reingehen begrüßte mich ein freundlicher, aber gelangweilt dreinschauender Polizist der Nationalpolizei, in seiner grünen Uniform mit schwarzer Krawatte und streng zurückgekämmten Scheitel. Ich wurde von der Pforte in die Büroräume geschickt, und die waren wirklich unglaublich klassisch. Im Warteraum stand eine alte, rote, durchgesessen Coutsch, auf der sich andere Ausländer geduldeten, bis man zur Personalaufnahme aufgerufen wird. An der Decke surrte ein Ventilator, die großen, in schweren Holzrahmen eingelassenen Fenster standen offen und im Warteraum vermischten sich somit die Stimmen der Beamten mit den Geräuschen des Verkehrs und dem Klackern der Schreibmaschienen. Einmal aufgerufen saß ich einem freundlich dreinblickenden, untersetzten Bolivianer gegenüber, der nach der Begrüßung sich aufrecht auf seinen abgewetzen schwarzen Ledersessel setzte, seine grüne Polizeimütze mit Akribie neben seiner Schreibmaschiene auf seinem dunkelen Eichentisch positionierte und anfing, den Fragekatalog abzuarbeiten und feinsäuberlich mit Hilfe eben jener Schreibmaschiene auf irgendein Papierchen zu bannen. Da es in Bolivien keine Postleitzahlen gibt, hat er die meine beim Eintragen meiner deutschen Adresse einfach weggelassen. Es is also aüßerst fragllich, ob eine Beschwerde jemals ankommen würde oder man mich mit dieser Adresse bis nach Deutschland verflogen könnte. Zum Abschluss wurden noch meine Fingerabdrücke genommen, aber nicht nur der vom Daumen wie in Deutschland oder den USA, sondern gleich, wahrscheinlich nur um sicher zu gehen, von allen zehn Fingern. Mit der Sanftheit eines Metzgers drückte ein anderer Polizist meine Finger auf einen dreckigen Vordruck und rollte jeden meiner Finger schön hin und her, damit der Abdruck besonders deutlich verschmiert. Ich frag mich sowieso, wie die im Fall des Falles die Abdrücke abgleichen wollen, weil ich kaum glaube das die Abdrücke geordnet geschweige den digitalisiert werden, und ein Computer-Erkennungsprogramm in einem Büro, das sonst nur mit Schreibmaschienen ausgestattet ist, wird es wohl nicht geben....
Aber zurück zu der Reise nach Chile! Eine Austauschschülerin aus den Phillipinen musste ihr Visum bei einem Konsulat im Ausland beantragen, und das nächste ist nunmal in Arica in Chile. Somit sind noch ein paar andere Leute aus dem Büro und zwei Freiwillige mitgefahren, um den Anlass zu nutzen. Natülrlich rein dienstlich, versteht sich. So ging es also in einem recht gut ausgestatten Bus am Mittwoch morgen in aller Frühe Richtung Chile. Die acht Stunden Fahrt vergingen recht gut, da die Route wiedermal durch wunderschöne Andenlandschaften führte, vorbei an wildgrasenden Lamaherden oder Flamencos, die in spiegelklaren Gebiergsseen ihr Dasein verbrachten. Die einzige Überraschung hatten wir an der Grenze. Einer der Freiwilligen hat bei Einreise nur ein 30 Tage Visum bekommen, war also seit einigen Tagen illegal, oder sagen wir, klandestin in Bolivien. Der Grenzer wollte nicht seinen Ausreisestempel in den Pass drücke, ohne dass er für jeden Tag ohne Aufenthaltsgenehmigung eine Gebühr von 15 Bolivianos zahlt. Wir diskutierten und bettelten, doch nach einem geflüstertem Gespräch mit einem seiner Kollegen kam er nur kopfschüttelnd zurück und sagte, wir müssten zahlen. Auf die vorsichtige Frage, ob es nicht noch eine andere Möglichkeit gäbe, das Problem beizulegen, guckte er uns kurz an, schielte rüber zu seinem Kollegen, der gerade beschäftigt war und gab uns als Antwort ein mehrdeutiges "Ich helfe euch, wenn ihr mir helft" zurück. Ein paar kleine Scheinchen Bolivianos wechselten den Besitzer, und eine halbe Minute später standen wir alle vor dem Büro - mit Ausreisestempel. Ärgelich war zwr schon, dass wir was bezahlen mussten, aber wenigstens war das Schmiergeld geringer als die Strafgebühr. An der Grenze konnte man noch einige andere interessante Sachen beobachten. Zum Beispiel die ganzen Autotransporte, die halb verrostetet und schon arg gebeutelte Modelle nach Bolivien brachten. Bolivien ist sowas wie der Autofriedhof Südamerikas, was sich im tagtäglichen Leben wie auch an der Grenze mal wieder bewies.
In Arica hatten wir uns in ein wunderschönes Apartment mit Blick auf den Pazifik eingemietet, und die Tage verbrachten wir meistens im kleinen, aber wunderschönen Stadtkern oder am Strand. Dieser Abschnitt Chiles gehörte mal zu Bolivien, wurde aber nach dem Salpeterkrieg, doer auch Pazifikkrieg, von Chile annektiert. Wegen diesem Krieg haben die beiden Länder noch heute keine diplomatischen Beziehungen, und die Schilderung ist so verschieden wie die Länder selbst. Die Region ist reich an Salpeter und Kupfer, welches im 19. Jahrhundert meist von Chilenen abgebaut worden ist. Bolivien erhob allerdings Steuern. Die Chilenen sagen, dass trotz bezahlter Steuern die Mienen von Bolivien besetzt wurden, um mehr Geld zu forden. Für Chile untragbar, es gab einen Krieg, den Chile gewann und die region wurde sich einverleibt. Die Bolivianer sagen folgendes: die Chilenen wollten ihre Gebiete ausweiten und griffen an Karneval, als alle Bolivianer besoffen und ausgelassen feierten, die Gegend aus einem Vorwand an. Da Bolivien alle seiner Kriege verloren hat, ging auch dieser verloren. Ich glaube, dass die bolivianische Schilderung wohl eher stimmt, da Chile im gleichen Krieg bis nach Lima in Peru marschierte und auch einige Gebiete von Peru annektierte.
Chile ist heute das reichste Land Südamerikas, und man sieht es an den Straßen, Häusern und Autos. Alles ist mehr geregelt, und viel viel teuerer. In Arica gibt es trotzdem gute Schwarzmärkte. Das Meer eignet sich gut zum Surfen, aber abgesehen von der Stadt ist die gegend wüstenähnlich sandig. Arica ist die Stadt des ewigen Frühlings mit kaum Niederschlag, was nicht gerade den Pflanezen gut tut. Arica ist berühmt für "El Morro", ein Fels, der in den Pazifik ragt und von dem man einen wunderschönen Ausblick auf den Ozean und die Stadt hat.
Die Tage vergingen wie im Flug, beim Faulenzen in der Sonne verliert man irgendwie das zeitgefühl, auch wenn ein gelegentliches Bad im erstaunlich warmen (20 Grad) Pazifik mich ab und an richtig wach machte. Der Unterschied des Sauerstoffgehaltes zwischen 4000 und 10 Höhenmetern ist gewaltig. Beim Joggen am Strand war ich erstaunt, das ich ohne Probleme 40 Minuten laufen konnte, ohne hier sonderlich viel gelaufen zu sein. In Chile habe ich außerdem meinen ersten Delfin gesehen, der aber leider tot an den Strand gespült wurde und dem Vögel und Straßenhunde arg zugesetzt hatte.
Die Rückreise verlief natürlich nicht wie geplant. Eigentlich wollten wir am Sonntag morgen los, aber die Chilenen haben weiß Gott warum mitten im Oktober ihre Uhr eine Stunde vorgedreht, was weder in Bolivien üblich ist noch uns bekannt war, so dass wir nach alter Zeit pünktlich am Busterminal waren, nach neuer aber zu spät! Deswegen blieben wir ein Tag länger als geplant, was aber bei dem wunderschönen Wetter nicht weiter schlimm war.

Wednesday, October 1, 2008

Ein Monat in Bolivien

Die Reise nach Arika hat sich leider etwas verzögert, so dass ich erst nächste Woche Mittwoch erst fahren werde.
Inzwischen bin ich seit 5 Wochen hier, seit 4 Monaten arbeite ich. Und es ist wirklich ertaunlich, wie rasend schnell man sich einlebt.
Inzwischen habe ich einen richtigen Alltag, und ich habe mich an vieles gewöhnt. Noch vor einem Monat bin ich zitternd aufgewacht, bin zitternd aus der Dusche gekommen und hab mich nochmal in mein Bett gelegt, um mich aufzuwärmen. Die Häuser sind weder isoliert noch haben sie eine Heizung. Deswegen war mir vor allem morgens und abends, wenn in La Paz die temperatur fällt, wirklich kalt. Inzwischen geht es viel besser. Statt unter 5 Decken schlafe ich nur noch unter 3 oder 4, und inzwischen habe ich auch raus, wie ich morgens so viel warmes Wasser wie möglich bekomme; am Duschkopf ist hier ein elektronischer Wasserheizer angebracht, der ab einer bestimmten Wassermenge erst anspringt, aber zu schwach ist um einen starken Strahl zu erhitzen. Ich muss also genau den Moment abpassen, in dem genügend Wasser kommt, um den Boiler anspringen zu lassen, um möglichst warm zu duschen. Leider geht der Boiler andauernd aus, letzte Woche war er auch kaputt. ganz ums kalt duschen komm ich also nicht.
Genauso zu meinem Alltag sind die beiden alten Autowäscher geworden, die jeden morgen, wenn ich das Haus verlasse, rauchend an der gleichen Stelle meiner Straße sitzen, auf Kundschaft warten und mich mit einem freundlichen "buenos dias joven" begrüßen. Oder die Autolawiene, die sich morgen um morgen ohne jegliche Regeln durch die Stadt wälzt, unterstrichen von wildem gehupe und wüsten Beschimpfungen, wenn es mal wieder fast zu einem Unfall kommt.
Der verkehr hier ist ein Kapitel für sich. Die Begenbenheiten der Stadt stellen eine unglaubliche herausforderung an Mensch und Maschiene, weil die Straßen steil, eng und verwinkelt sind. Die Taxi-, Trufi-, Mikro- oder Minifahrer jagen ihre Autos im ersten Gang bei 4000 Umdrehungen die Anstiege hoch. Vor einer kreuzung wird generell nicht gehalten, sondern gehupt und einfach weitergefahren. Der andere wird schon bremsem.
Zur Erklärung: Trufis sind normale Limosinen, die eine vorgegeben Route fahren. Minibusse sind meist alte Toyota-Kleinbusse, in die ein paar enge Sitzreihen eingebaut worden sind und wo immerhin 12 leute Platz finden. Begleitet werden diese Fahrzeuge von einem Schreier, der sich während der Fahr aus dem Fenster lehnt und die Fahtrichtung den Passanten entgegenschleudert. Um Passanten aufzunehmen, werden schonmal gerne halsbrecherische Manöver in Kauf genommen, wie von der ganz linken Spur im dichten Stadtverkehr an den rechten Gehweg zu ziehen. Ein Mikro ist ein alter, stinkender Bus, der so aussieht wie die schulbusse in den USA, aber statt gelb blau ist, dafür genauso unbequem. Ich nehme in diesen Bussen meist eine Sitzbank für mich ein, weil ich einfach meine Beine zur Seite strecken muss. Die Leute hier sind im Allgemeinen eher klein. Die tür bleibt immer dabei immer auf, und man muss gelgentlich schon mal auf den zwar langsam fahrenden, aber immerhin noch fahrenden, Bus springen, weil der Busfahrer keine Lust hat anzuhalten. Beim Aussteigen ist es nicht anders. Haltestellen gibt es grötenteils nicht, man sagt einfach Bescheid wann man aussteigen will und das Gefährt hält. Ab und zu stinkt es aber ganz gut im Bus, zum einen weil es das billigste aller Gefährte ist (Strecke jeder länge ein Boliviano=9 cent), und weil auch hier gerne mal Tiere mitgenommen werden....
Mometan gibt es sonst nicht allzuviel neues, es ist schon sowas wie Alltag aufgekommen. Ich habe angefangen, an einer Uni Basketball zu spielen. Allerdings trainieren die vier mal die Woche, was mir etwas viel ist, weil ich noch was anderes gerne machen würde außer zu spielen. Heute werden wir in den untersten Stock unseres Hauses ziehen, weil das Dach endlich repariert wird (es regnet rein), sonst geht es wie gesagt nächste Woche nach Arika. Am Wochenende ist in La Paz das Pacena Bier- und Musikfest, zu dem ich auf jeden Fall hingehen werde. Also bis bald!