Tuesday, September 16, 2008

Oruro - ein Auto wird getauft

Am Samstag habe ich meine erste kleinere Reise in Bolivien gemacht. Dabei ging es nach Oruro, eine weitere Stadt im Hochland Boliviens, zusammen mit meinen Kollegen Jonas und Carla und Rosaria, eine Freundin von Jonas, die Chilenin ist aber gerade einen Freiwilligendienst in La Paz abeistet. Ziel der Reise war, einen Vortrag beim lokalen Komitee zu halten. Für die ca 260 Kilometer Fahrt haben wir erstaunlicherweise nur rund 3 einhalb bis 4 Stunden benötigt. Für ganze 15 Bolivianos (umgerechnet 1,45 €) ging es Samstag früh ein natürlich später als eigentlich angegen los. Die normale Verspätung hier bei allem beträgt ungefähr eine halbe Stunde bis Stunde. Deswegen macht man bei wichtigen Sachen aus, ob man sich nach der "hora normal" oder "hora boliviana" (mit Verspätung) trifft.
Die Fahrt war recht unspektakulär. Es ging für Stunden auf einer engen, aber dafür größtenteils geteerten Landstraße immer geradeaus durch das bolivianische Hochland. Die Landschaft hier oben ist nicht besonders, es ist karg, braun und staubig, man kann endlos weit die flache, triste Ebene des Hochplateaus entlangsehen, nur am Horizant ragen winzigklein die Spitzen der Cordilleren hervor. Der Bus fuhr durch kleine Dörfer, in denen die Landstraße die Lebensader ist. In diesen Dörfern rekrutiert Morales den großteil seiner Unterstützer. Hier leben die armen Bauern des Hochlandes in Lehmhütten ohne Zugang zu Bildung, aber in der Hoffnung das "ihr" Präsident, der selber mal Cocabauer war, die Tür zu einer besseren Zukunft aufstoßen wird...
Nach zwei Stunden Fahrt fing es im Bus leider etwas an zu stinken, weil die Sonne vom strahlend blauen Himmel den Bus gut aufgeheizt hat. Vielleicht lag es aber auch daran, dass manche Mitreisende ein Huhn oder anderes Getier dabei hatten. Während der ganzen Fahrt kamen wir in den Genuss bolivianischer Schlagerpops, was sich zum Glück nicht so anhört wie Michael Wendler, aber auf Dauer genauso nevig ist. Hauptelemente sind hier Panflöten, die in jeder Gesangspause irgendwas Dudeln, irgendwelche einheimische Zupfinstrumente und ein Sänger, der in einem lamentierenden Singsang verlorene Liebe, seine Heimat oder sonstige Themen beklagt.
Einen kleinen Schock bekam ich, als wir durch die Randorte von Oruro gefahren sind, weil hier die Stadt wirklich hässlich ist. Die Häuser sind total heruntergekommen und verfallen, überall ist viel Müll und streunende Hunde. Aber der Verfall hat einen Grund. Oruro ist eine Bergarbeiterstadt und war mal der Industriemotor des Landes. Aber wie in allen auf einen Industriesektor zugeschnitten Städte ging mit dem Rückgang des Bergbaus auch der allmähliche Verfall der Stadt einher, weil einfach die Menschen wegzogen und die Häuser nun leerstehen und sich selbst überlassen werden. Der Strukturwandel ist in einem Land wie Bolivien natürlich auch schwieriger zu bewältigen als woanders...
Dafür ist aber die Innenstadt wirklich schön. Es gibt viele Parks, öffentliche Plätze und Kirchen. Oruro ist nämlich für zwei Dinge berühmt: den Karneval, und für ein Gemälde der Jungfrau Madonna, die hier Schutzpatronin der Arbeiter war. Hier ist die Heiligenverehrung, ähnlich wie in Spanien, generell viel ausgeprägter als in Deutschland.
Nachdem wir aus der Kirche kamen, hatten wir das Glück, einer Autosegnung beizuwohnen. Ja, ihr habt richtig gelesen, hier gibt es den Brauch, dass Autos in einer feierlichen Zeremonie gesegnet werden. Das sah wie folgt aus: Das Auto ist geschmückt wie bei einer Hochzeit, mit Blumensträuchen an der Motorhaube und am Kofferaum. Die Plastikfolien waren noch auf allen Sitzen und Amaturen drauf. Der Priester kommt in seinem Messgewand nach der Messe mit Weihwasser zur Feiergemeinde, beglückwünscht den Besitzer, spränkelt Weihwasser auf den Motorblock und segnet den Wagen sowie den Besitzer. Danach wird der Besitzer von allen beiwohnenden herzlichst beglückwünscht, es gibt was zu Essen und Trinken. Danch greift der Besitzer zur Sektflasche, zerdeppert diese am linken Vorderreifen, gibt seinem Auto einen Namen. Es gibt mehr Essen. Danach greift er zur Cola, sprüht etwas Cola auf den Motorblock, läuft danach ums Auto und besprüht es dabei. Seine Frau läuft im hinterher und bewirft das Auto mit weißen Rosenblüten, danach wird mehr gegessen und getrunken. War schon wirklich lustig dabei zuzusehen.
Den Rest des Tages verbrachten wir mit unserem Vortrag. Es gab allerdings mal wieder leckeres lokales Essen, wobei ich wieder nicht weiß was es war geschweige den wie es heißt...
Alles in allem war der Trip wirklich gut, auch wenn Oruro verdammt kalt ist (liegt auf mehr als 4100 Metern). Dafür sind die Bewohner sehr nett. Das Komitee hat uns alle aus La Paz offiziell zum Karneval eingeladen, und ich glaube, das ich mir das nicht entgehen lassen werde.

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